Kriterien für salutogenetische Orientierung
In vielen Diskussionen haben sich für eine 'salutogenetische Orientierung' folgende sieben Kriterien herauskristallisiert. Eine Arbeit für Gesundheit ist dann ‚salutogenetisch orientiert’ wenn sie
1. An Stimmigkeit, Kohärenz, aufbauender Kooperation und Kommunikation orientiert ist. Das Streben nach Kohärenz ist ein übergeordnetes - wahrscheinlich allen Lebewesen innewohnendes Prinzip, das dafür sorgt, dass sich Lebewesen aus dem Chaos entgegen den physikalischen Gesetzen der Entropie komplex und gesund organisieren können.
2. Auf Gesundheit (attraktive Ziele, Vorstellungen) ausgerichtet ist. D. h. die Arbeit richtet sich primär nicht am Kampf gegen Krankheiten und Risikofaktoren aus, sondern an attraktiven Gesundheitszielen, wie z.B. Wohlbefinden, Sicherheit, Lust, Lebensqualität, Freude, Fitness, Sinnerfüllung, Weisheit und ähnlichem.
3. Ressourcenorientiert ist.
D.h. dass man primär nicht nach Defiziten, Störungen, Blockaden usw. sucht, sondern nach eigenen Fähigkeiten und auch Unterstützung - allen Quellen von Wohlbefinden, für Eigenaktivität, Motivation usw.
4. Das Subjekt wertschätzt.
D.h. nicht versucht, das Individuum in eine Norm zu pressen. Die Pathologie geht von Normen (Normalwerten) aus. Die salutogenetische Orientierung erkennt mit dem Subjekt auch das Subjektive an, die Selbstwahrnehmung, Gefühle, individuelle Gesundheitsziele, subjektive Krankheits- und Gesundheitstheorien, fragt nach subjektiven Deutungen und Bewertungen.
5. Dynamisch prozess-/lösungsorientiert ist auf Entwicklung und Evolution sowie auf (Selbst-) Regulation.
Die salutogenetische Sichtweise geht von einem Lebensprozess aus, der bisweilen in Krankheitssymptome und dann wieder in Genesung und Kreativität regulieren kann. Das Bild des Schwimmens im Fluss des Lebens hat Aaron Antonovsky für die salutogenetische Sichtweise geprägt.
6. Aufmerksamkeit für systemische/kommunikative Selbstorganisation und -regulation hat und individuelle, soziale, kulturelle und globale Kontextbezüge einbezieht.
Die Selbstregulation und Selbstheilungsfähigkeit eines Menschen wird mehrdimensional in seinen familiären, gemeinschaftlichen, kulturellen, globalen sowie auch universellen Bezügen gesehen. Auch soziokulturelle Prozesse werden als selbstregulativ verstanden.
Für diese Selbstregulation sind sowohl innere Sollwerte (Attraktoren) als auch äußere Bedingungen (Kontexte) maßgeblich. Es kommen aber nur selten lineare Ursache-Wirkungs-Prozesse vor.
Der Mensch wird vorwiegend nicht als Opfer von medizinischer Manipulation und Machbarkeit gesehen, sondern als ein sich letztendlich autonom regulierendes System in einem größeren System. Dazu gehört eine Haltung des Unwissenden, Neugierigen und Demütigen.
7. Die alte dichotome Sichtweise von entweder krank oder gesund erweitert durch die Erkenntnis, dass im Lebensprozess immer beides vorhanden ist: sowohl Krankheit als auchGesundheit. Allgemein werden meist mehrere Möglichkeiten in Betracht gezogen - es wird 'sowohl-als-auch' gedacht (nur selten: entweder oder).
Diese sieben ‚Qualitätskriterien’ salutogenetischer Orientierung sind noch keine endgültigen Größen – vielleicht können sie ein Ausgangspunkt für die weitere Diskussion um die Salutogenese sein, die wir auch hier weiter führen wollen und zu der wir alle Interessierten einladen.
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